Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 344 —
und Schule. 138a- (1520. In der Schrift: „An den christlichen Adel
deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" heißt es u. a.:) Die Universitäten borsten auch wohl einer guten starken Reformation- . . . (Auf denselben) wird wenig der heiligen Schrift und christlicher Glaub gelehret, und allein der blind heidnische Meister Aristoteles regiert, auch weiter denn Christus? ... Für allen Dingen sollt in den hohen und niedern Schulen die furnehmst und gemeinist Lection sein die H. Schrift, und den jungen Knaben das Evangelium. Und wollt Gott, ein iglich Stadt hätt auch ein Maidschulen, darinnen des Tags die Maidlin ein Stund das Evangelium horeten, es wäre zu Deutsch oder Latiuisch.
Luthers Werke, Erlanger Ausg. Bd. 21, S. 344 u. 349.
138b. (1524. Luther schreibt „An die Rathsherren aller
Städte deutsches Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen":) Fürsten und Herrn solltens thun; aber sie haben auf dem Schlitten zu fahren, zu trinken und in der Mummerei zu laufen, und sind beladen mit hohen merklichen Geschäften des Kellers, der Küchen und der Kammer. Und obs etliche gern thäten, müssen sie die andern scheuen, daß sie nicht für Narren oder Ketzer gehalten werden. Darumb wills euch, lieben Rathherrn, alleine in der Hand bleiben: ihr habt auch Raum und Fug dazu, besser denn Fürsten und Herren. Ebenda, Bd. 22, S. 190.
139. (1530. Aus Luthers „Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle":) Ich halte aber, daß auch die Oberkeit hie schuldig sei, die Unterthanen zu zwingen, ihre Kinder zur Schulen zu halten .... Denn sie ist wahrlich schuldig, die obgesagten Aemter und Stände zu erhalten, daß Prediger, Juristen, Pfarr-herrn, Schreiber, Aerzte, Schulmeister und dergleichen bleiben, denn man kann der' nicht empehren. Kann sie die Unterthanen zwingen, so da tüchtig dazu sind, daß sie müssen Spieß und Büchsen tragen, auf die Mauern laufen, und anderes thun, wenn man kriegen soll: wie vielmehr kann und soll sie hier die Unterthan zwingen, daß sie ihre Kinder zur Schule halten, weil hier wohl ein ärgerer Krieg vorhanden ist mit dem leidigen Teufel, der damit umgehet, daß er Städte und Fürstenthum will so heimlich aussaugen, und von tüchtigen Personen leer machen . . .
Ebenda Bd. 17, S. 420 f.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 258 —
mit dem böhmischen Wappen. Die herabwürdigenden Ceremonieen, nach welchen der Kaiser alle Augenblicke vom Stuhl herab und hinauf, hinauf und herab sich ankleiden und auskleiden, einschmieren und wieder abwischen lassen, sich vor den Bischofsmützen mit Händen und Füßen ausgestreckt auf die Erde werfen und liegen bleiben mußte, waren in der Hauptsache ganz dieselben, womit der gemeinste Mönch in jedem Bettelkloster eingekleidet wird. Am possirlichsten war es, als eine Bischofsmütze im lieblichsten Nasentone und lateinisch zur Orgel hinauf intonirte, ob sie da oben nun wirklich .. Herrn Leopold zu ihrem Könige haben wollten, worauf der bejahende Chorregent gewaltig mit dem Kopfe schüttelte, feinen Fidelbogen greulich aus und nieder schwenkte, die Chorjungfern und Singknaben aber im höchsten Discant herunter riesen: fiati fiat! fiat! (ja! ja! ja!). So wie also von Seiten dieser kleinen Herrschaft nichts mehr entgegen zu stehen schien, ging’s nun mit der Krone eilends ans das kaiserliche Haupt, vom Empor aber mit Heerpauken und Trompeten donnernd herab: Haderipump! Haderipump! Pump! Pump! . . . Nachdem nun dem Kaiser auf einem kahlen Throne, der aussah wie eine Hennensteige, von den Bischöfen die Glückwünsche und Huldigungen unter allen möglichen Arten von Knie- und Buckelbeugungen abgestattet und durch die bis unter seine Nase geschwungenen Rauchfässer ein Wolkenhimmel um ihn her gebildet war, wurden die Candidaten zum Ritterschlag . . . aufgerufen . . . Von der Kirche aus nahm der Kaiser mit seinem abgeschabten Mantel in langer, aber etwas eilig drängender, daher auch krummer und verwirrter Procession seinen Zug aus das Rathhaus zurück. Er ging in seinen alten Kaiser-pantoffeln über gelegte Bretter, die man mit rothem Tuche bedeckte, welches aber die gemeinen Leute auf dem Boden knieend und mit Messern in den Händen hart hinter feinen Fersen herunterschnitten, und zum Theil so gewaltsam in Fetzen herunterrissen, daß sie den vorn lausenden Kaiser beinahe damit niederwarfen. (Nun wird beschrieben, wie der Erbtruchseß seines Amtes waltete.) Nichts konnte ein treueres Bild der eiskalten erstarrten und kindisch gewordenen alten deutschen Reichsverfassung geben, als das Fastnachtsspiel einer solchen in ihren zerrissenen Fetzen prangenden Kaiserkrönung. Die folgenden Tage, wo man die sibyllinischen Bücher der goldenen Bulle nicht weiter zu befragen nöthig hatte, befriedigten die Schaulust mit leidlichem Festen einer öffentlichen
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 260 —
Ertz-Bischöfflichen Diöcesi, sondern auch durchgehends im gantzen H. Reich Teutscher Nation, ohne Unterscheid, Krafft . . Güldenen Bull, zueignen; Hergegen aber Seine Churs. Gnaden zu Maintz . . . die Stadt Aachen, zwar . . . Cölln gestehen, Jhro doch, und dero Nachkommenden am Ertz-Stifft Maintz, alle übrige Orte des H. Reichs, Teutscher Nation, Krafft . . . alten Herkommens . . . Besitzung zuschreiben wolte . . . (Man einigt sich u. a. dahin:) . . 2) Daß beeden Ihren Churs. Gn. und Durchl. zu Maintz, und Cölln, die Würde, und das Amt, zu krönen, in ihren Ertz-Bistümen . . ., jedem in seinem Ertz-Bistum, und seinen Bezirck . . . zukommen solle. 3) Da aber ausserhalb diesen beeden obgedachten Ertz-Bistumen, Maintz und Cölln, die Krönung in einigen deren unterhabenden Bey-Bistümern, oder in andern, ausser der Ertz-Bischöffl. Maintz- und Cöllnischen Landschafft, gelegenen Ertz- und Bistümen geschehen würde, alsdann soll dieselbe umwechselicht, von beeden Herren Churfürsten . . . verrichtet . . werden. Vitr. 111. I, S. 892.
29. (1764.) (Goethe erzählt von der Krönung Josephs Ii.:) Am andern Ende des Saals . . saßen auf Thronstufen erhöht, unter Baldachinen, Kaiser und König in ihren Ornaten . . Die drei geistlichen Churfürsten hatten, ihre Büffete hinter sich, auf einzelnen Estraden Platz genommen . . Dieser obere Theil des Saals war würdig und erfreulich anzusehen und erregte die Bemerkung, daß die Geistlichkeit sich so lange als möglich mit dem Herrscher halten mag. Dagegen ließen die zwar prächtig aufgeputzten, aber herrenleeren Büffete und Tische der sämmtlichen weltlichen Churfürsten an das Mißverhältniß denken, welches zwischen ihnen und dem Reichsoberhaupt durch Jahrhunderte allmählig entstanden war. Die Gesandten derselben hatten sich schon entfernt, um in einem Seitenzimmer zu speisen; und wenn dadurch der größte Theil des Saales ein gespensterhastes Ansehn bekam, daß so viele unsichtbare Gäste auf das Prächtigste bedient wurden, so war eine große unbesetzte Tafel in der Mitte noch betrübter anzusehen: denn hier standen auch so viele Couverte leer, weil alle die, welche ebenfalls ein Recht hatten, sich daran zu setzen, Anstands halber, um an dem größten Ehrentage ihrer Ehre nichts zu vergeben, ausblieben, wenn sie sich auch dermalen in der Stadt besanden. Goethe, Aus meinem Leben, Th. I, Buch V.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T53: [Rom Stadt König Romulus Tempel Römer Sohn Forum Zeit Alba]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb]]
498
20. Slsmus Jacob Carstens, der Maler.
Asmus Carstens wurde im Jahre 1754 am 10. Mai zu Sanct Jürgen,
einem kleinen Dorfe nahe bei Schleswig, wo sein Vater Müller war, geboren.
Seine Mutter war die Tochter eines Advocaten in Schleswig und hatte in ihrer
Jugend eine vorzügliche Erziehung erhalten, welche sie in den Stand setzte, ihre
Kinder besser zu erziehen, als sonst unter den Dorfbewohnern damaliger Zeit zu
geschehen pflegte. Asmus ging bis in sein neuntes Jahr, wo sein Vater starb,
in die Schule seines Heimatdorfes und wurde dann von seiner sorgsamen Mutter
in die Domschule des nahen Schleswig geschickt. Mittags sollte er bei einem Ver-
wandten in der Stadt speisen, aber das gefiel ihm nicht, und er bat seine Mutter,
ihm täglich sein Mittagsessen, Butterbrot und Obst, mitzugeben, welches er dann
meistens in der nahen ofienen Domkirche verzehrte. Bald ward der Dom wäh-
rend seiner freien Mittagsstunden sein Lieblingsaufenthalt. Hier sah er schöne
Gemälde von dem Maler Jurian Ovens aus Tönning, die ihn bald so fesselten,
daß er, während seine Kameraden auf dem Kirchhofe spielten, mit seinem Butter-
brot in den Dom schlich und über Stühle und Bänke hinwegkletterte, um die
wundersamen Gemälde in der Nähe zu schauen. Da vergaß er denn alles um
sich her; ein heißer Wunsch, auch einmal so etwas machen zu können, erfüllte ihn,
und oft betete er mit inniger Sehnsucht, Gott möge ihm die Gnade verleihen, daß
er auch einst zu seiner Ehre so herrliche Bilder malen könne. So erwachte in
ihm zuerst der Hang zur Kunst und er begann, alle Gegenstände, die ihm vor-
kamen , am liebsten aber Gesichter zu zeichnen. Alle Leute, die ihm nahe kamen,
mußten ihm sitzen, und meistens gelangen seine Nachahmungen so kenntlich, daß
er bald unter den Leuten im Dorfe, die dergleichen niemals gesehen hatten, ein
großes Aufsehen mit seiner Kunst erregte.
In der Schule aber stand es dafür desto schlechter mit seinem Ruhme. Sein
Geist war gewöhnlich abwesend entweder im Dom bei Jurian Oven's Gemälden
oder zu Hause bei seinen Farbenmuscheln. Er lernte nie rechnen, und der Rechen-
meister fand öfter Gesichter und Figuren, als Zahlen auf seiner Tafel. Er wußte
unter den Lernenden immer am wenigsten, und weder Scheltworte noch Drohungen
vermochten ihn aus seiner anscheinenden Geistesträgheit aufzurütteln, so daß die
Lehrer ihn für einen erzdummen Jungen hielten. So verließ Carstens mit 16 Jah-
ren die Schule so unwissend, daß er in der Folge wenig oder nichts von dem dort
Gelernten zu vergessen hatte.
Seine Rückkehr in's elterliche Haus war von dem festen Entschlüsse begleitet
ein Maler zu werden, und seine treffliche Mutter willigte gern in sein Verlangen
und wollte ihn bei einem berühmten Maler Tischbein aus Kassel ausbilden lassen.
Dieser aber verlangte, daß er während der ersten Jahre zugleich die Stelle eines
Bedienten vertreten und hinter der Kutsche stehen solle, wenn er ausfahre. Das
wollte Asmus nicht, und deshalb zerschlugen sich die Unterhandlungen. Ehe aber
seine Mutter einen andern Lehrer gefunden hatte, starb sie und ließ ihre Kinder
als Waisen zurück. Die Mühle ward verkauft, und den Kindern, die das väter-
liche Haus verlassen mußten, wurden Vormünder gesetzt. Diese wollten nun nicht
zugeben, daß ihr Mündel sich einer nach ihrer Meinung so brotlosen und unnützen
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
8
einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als
sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die
Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand
eine ganz vornehme Dame dort, winkte die arme Frau zu sich
und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wuszte
nicht recht, was sie denken sollte, und es dünkte diese abson-
derliche Gabe ihr gar gering; doch nahm sie die Stricknadeln,
zeigte sie ihren Kindern und legte sie des Abends auf den Tisch.
Aber als die Frau am andern Morgen ihr Lager verliesz, siehe,
da lagen ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem
Tische. Das wunderte die alte Frau über alle Maszen, und am
nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und
am Morgen darauf lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie,
dasz zum Lohne ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr
diese Nadeln beschert waren, und liesz dieselben nun jede
Nacht stricken, bis sie und die Kinder Strümpfe genug hatten.
Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte genug bis an ihr
seliges Ende.
13. Drei Räthsel.
1. Oben spitz und unten breit, 2. Fünf Finger und doch keine Hand,
durch und durch voll Süszigkeit, ein Schuh, doch ohne Sohle,
weisz am Leibe, blau am Kleide, bald kreideweisz wie eine Wand,
kleiner Kinder grosze Freude. bald schwarz wie eine Kohle.
3. Es saszen vierzehn Spatzen
auf meines Nachbars Dach;
der Jäger schosz darnach.
Da fielen sieben Spatzen.
Nun sag’, — soll ich dich loben, —
wie viel noch sitzen droben?
14. Der treue Hund.
Ein Kaufmann hatte einen Hund, der sehr wachsam und treu
war. Einst ritt der Kaufmann von einem Markte, wo er viel Geld
eingenommen hatte, nach Hause. Er hatte sein Geld in einem Man-
telsacke hinter sich auf das Pferd geschnallt, und sein Hund lief neben
ihm her. Nach und nach wurden die Riemen locker, mit denen der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
54
3, Hänschen hat noch viel begonnen,
brachte nichts zu Ende;
drüber ist die Zeit verronnen,
schwach sind seine Hände.
Hänschen ist nun Hans geworden,
und er sitzt voll Sorgen,
Ach, nun glaub' ich selbst daran,
daß aus mir nichts werden kann!"
hungert, bettelt, weint und klaget
abends und am Morgen!
„Ach, warum nicht war ich Dummer
in der Jugend fleißig?
Was ich immer auch beginne —
dummer Hans nur heiß' ich.
102. Jungfer Margareth.
1. Das war bte träge Margareth,
die wollte die Hand nicht regen;
da mußte die alte Mutter allein
wischen, waschen und fegen.
2. Das war die eitle Margareth,
die putzte sich schon am Morgen;
da mußte die alte Mutter allein
Keller und Küche besorgen.
3. Das war die sch öne Margareth,
die that den Burschen gefallen;
sie tanzten und kosten gern mit ihr,
doch nahm sie keiner von allen.
4. Das war die verlaßne Margareth,
es kamen und gingen die Jahre,
vorbei war Putz und Spiel und Tanz,
die Mutter lag auf der Bahre.
5. Das ist die hungrige Margareth,
sie mag die Hand nicht rühren;
dort kommt sie mit dem Bettelsack
und bettelt vor den Thüren.
103. Treue Freundschaft.
Einst trafen auf ihrer Wanderschaft zwei Handwerksburschen
zusammen; der eine war ein Schmidt, der andere ein Schneider.
Sie reiseten mehrere Wochen miteinander, bis sie endlich nach Polen
kamen. Während dieser Zeit hatten sie sich genauer kennen ge-
lernt, einander ihr Herkommen und ihre Lebensgeschichte erzählt
und endlich Brüderschaft mit einander gemacht. Sie theilten ge-
wöhnlich, was sie von Lebensmitteln hatten, unter sich und halfen
sich gegenseitig in allem brüderlich aus. Es fügte sich, dasz der
Schmidt in Polen krank wurde und in einem fremden Dorfe unter
fremden Leuten, die nicht einmal deutsch verstanden, liegen bleiben
muszte. Hier wäre er übel daran gewesen, wenn er seinen Ka-
meraden nicht bei sich gehabt hätte; denn er hatte kein Geld, und
sein Felleisen war mit allem, was sich darin befand, kaum einige
Thaler werth. Dies wurde nun freilich verkauft; aber das daraus
gelöste Geld war bald verzehrt, und noch sah man keine Besserung.
Nun bewies sich der Schneidergeselle recht brüderlich gegen ihn
und verliesz ihn nicht in seiner Noth. „Hier in diesem fremden
Lande bin ich ihm ja der Nächste !“ dachte er bei sich selbst, und
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
56
die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind
springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat
herunter, dasz der gute Freund da sich umkleiden kann! “ Der
Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt
ihm den Mund zu und sagte : „‘Schweig’ und sprich mir kein Wort
dagegen ! Du hast’s wohl um mich verdient, dasz ich mein bischen
Hab’ und Gut mit dir theile.“ Es half nichts: der Schneider muszte
sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot
ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause
wäre, und nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends
geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liesz alle seine
Leute herein kommen, dasz sie den Fremden nun recht genau
besehen muszten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde
eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für
eine Bewandtnisz habe. Da hatten alle eine herzliche Freude über
den Ankömmling, besonders aber die Frau vom Hause, die ihren
Mann sehr liebte und oft dem guten Schneiderburschen, der in
Polen eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn
persönlich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister liesz
noch am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und auf den
folgenden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sich zu
Gaste laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden !“ rief
er laut auf — und schwang dabei seine Mütze vor Freuden. Der
Sonntag kam, und in der Schmiede ging’s so fröhlich her, als wenn
es Kindtaufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war,
erzählte der Schmidt alle seine Erlebnisse und besonders, was er
seinem Kameraden für einen Liebesdienst zu verdanken habe.
Der Schneider muszte dann seine Erlebnisse auch erzählen, und die
Gäste gewannen ihn so lieb, dasz sie durchaus darauf bestanden, er
solle sich in diesem Dorfe häuslich niederlassen und ihr Schneider
werden. Der Schmidt jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit
Geld zu unterstützen, so viel er könne. Er hielt auch Wort; der
Schneider fand sein reichliches Brot im Dorfe, verheirathete sich
mit einer guten Wirthin und lebte froh und glücklich.
104. Ehrlichkeit und Dankbarkeit eines Juden.
Ein Jude, Namens Isaak ernährte sich lange Zeit vom Handel
mit alten Kleidern, wobei er oft kaum das tägliche Brot verdiente. Doch
dankte er seinem Gott, daß er ihm wenigstens dieses gab, und war in seiner
Dürftigkeit zufrieden.
Aber nun starben ihm schnell hinter einander zwei Kinder, und er
mußte, um sie begraben zu lassen, fast alle seine Habseligkeitcn verkaufen.
Zudem wurde seine Frau krank, mit der er zwanzig Jahre in Frieden gelebt
hatte, und da er sie selbst Pflegen mußte, so konnte er seinen kleinen Handel
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
61
109. Dornröschen.
(Märchen.)
Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag:
„Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und krigten immer keins. Endlich
aber bekamen sie ein so schönes Mädchen, daß der König vor Freude sich
nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß
seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen
dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen würden. Es waren ihrer
dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte,
von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die geladen
waren, kamen, und nachdem das Fest gehalten war, beschenkten sie das Kind
mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit,
die dritte mit Reichthum, und so mit allem, was Herrliches auf der Welt
ist. Als elf ihre Wünsche eben gethan hatten, kam die dreizehnte herein,
die nicht eingeladen war und sich dafür rächen wollte. Sic rief: „Die
Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahre an einer Spindel stechen
und todt hinfallen." Da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch
übrig hatte; zwar konnte sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, aber sie
konnte ihn doch mildern und sprach: „Es soll aber kein Tod sein, sondern
ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, in den die Königstochter fällt."
Der König hoffte, sein liebes Kind noch vor dem Ausspruch zu be-
wahren, und ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König-
reich sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden alle Gaben
der weisen Frauen erfüllt, denn cs war so schön, sittsam, freundlich und
verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es ge-
schah, daß an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt war, der König
und die Königin nicht zu Haus waren und das Fräulein ganz allein im
Schlosse zurück blieb. Da ging es aller Orten herum, besah Stuben und
Kammern, wie cs Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm.
Es stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In
dem Schlosse steckte ein gelber Schlüssel, und als sie umdrehte, sprang die
Thür auf und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann
emsig ihren Flachs. „Ei, du altes Mütterchen", sprach die Königstochter,
„was machst du da?" „Ich spinne", sagte die Alte und nickte mit dem
Kopfe. „Wie das Ding herumspringt!" sprach das Fräulein und nahm
die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie die Spindel an-
gerührt, so ging die Verwünschung des Zauberweibes in Erfüllung, und sie
stach sich damit.
In dem Augenblicke aber, wo sie sich gestochen hatte, fiel sie auch
nieder in einen tiefen Schlaf. Und der König und die Königin, die eben
zurückgekommen waren, fingen an mit dem ganzen Hofstaat einzuschlafen.
Da schliefen die Pferde im Stalle ein, die Hunde im Hofe, die Tauben auf
dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das aus dem Herde
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
64
will mich für mein Geld nicht gesund machen?" — Endlich hörte er von
einem Arzte, der hundert Stunden weit von Amsterdam wohnte, aber so
geschickt wäre, daß die Kranken gesund würden, wenn er sie nur recht an-
blicke; und der Tod ginge ihm aus dem Wege, wo er sich sehen ließe. Zu
diesem faßte der Kranke Zutrauen und schrieb ihm seinen Umstand. Der
Arzt merkte bald, was ihm fehle, und sagte: „Warte, dich will ich bald
geheilt haben!" Deshalb schrieb er ihm ein Briefchen folgenden Inhalts:
„Guter Herr! Ihr habt einen schlimmen Umstand an Euch; doch wird
Euch noch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses
Thier im Bauche, einen Lindwurm mit sieben Mäulern; mit diesem muß
ich selber reden, und Ihr müßt zu mir kommen. Aber Ihr dürft nicht
fahren noch reiten, sondern müßt auf des Schusters Rappen zu mir kom-
men; sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide
ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Sodann dürft Ihr nicht mehr
essen, als zweimal des Tags einen Teller voll Gemüse, mittags ein Brat-
würstchen dazu und abends ein Ei, und am Morgen ein Fleischsüppchen
mit Schnittlauch daraus. Was Ihr mehr esset, davon wird der Lindwurm
nur größer, also daß er Euch die Leber erdrückt; der Schneider wird Euch
dann nicht viel mehr anzumessen haben, wohl aber der Schreiner. Dies
ist mein Rath, und wenn Ihr diesem nicht folgt, so hört Ihr im andern
Frühjahr den Kuckuk nicht mehr rufen. Thut übrigens, was Ihr wollt."
— Gleich nach Empfang dieses Briefs ließ sich der Kranke die Stiefel
wichsen, machte sich den andern Morgen auf den Weg und that alles so,
wie cs ihm der fremde Doctor befohlen hatte. Den ersten Tag ging er so
langsam, daß wohl eine Schnecke sein Vorreiter hätte sein können, und wer
ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmchen auf der Erde kroch,
das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es
ihm vor, als wenn die Vögel früher gar nicht so lieblich gesungen hätten,
wie heute; und der Thau schien ihm so frisch und die Kornblumen im
Felde so blau, und alle Leute, welche ihm begegneten, sahen so freundlich
aus, und er auch; und alle Morgen, wenn er sein Nachtquartier verließ,
war die Welt schöner, und er ging leichter und munterer dahin. Und
als er am achtzehnten Tage nach seiner Abreise in der Stadt ankam, wo
der Arzt wohnte, und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl,
daß er sagte: „Ich hätte zu keiner ungelegenern Zeit können gesund wer-
den, als jetzt, wo ich zum Doctor soll. Wenn's mir doch nur ein wenig
in den Ohren brauste, oder der Magen mich drückte!" Als er zum Arzte
kam, nahm der ihn bei der Hand und sagte: „Jetzt erzählt mir denn noch
einmal von vorn an, was Euch fehlt." Da sagte er: „Herr Doctor, mir
fehlt Gottlob nichts, und wenn Ihr so gesund seid, wie ich, so soll mich's
freuen." Der Arzt sagte: „Das hat Euch ein guter Geist gerathen, daß
Ihr meinen Rath befolgtet. Der Lindwurm ist jetzt abgestanden. Aber
Ihr habt noch Eier von ihm im Leibe; daher müßt Ihr wieder zu Fuß
heimgehen und daheim Holz sägen und nicht mehr essen, als Ihr Hunger
habt, damit die Eier nicht ausschlüpfen; dann könnt Ihr ein alter Mann
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut]]
37
dich besser hören kann." — „Ei Großmutter, was hast du für große Augkn !"
— „Daß ich dich besser sehen kann." — „Ei Großmutter, was hast du
für große Hände!" — „Daß ich dich besser packen kann!" — „Aber
Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!" — „Daß ich
dich besser fressen kann !" Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er
aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen und verschlang es.
Wie der Wolf den fetten Bissen im Leibe hatte, legte er sich wieder
in's Bett, schlief ein und fing an überlaut zu schnarchen. Der Jäger
ging eben vorbei und dachte bei sich: „Wie kann die alte Frau so schnar-
4^ chen? du mußt einmal nachsehen, ob ihr etwas fehlt." Da trat er in
die Stube, und wie er vor's Bett kam, so lag der Wolf darin, den er lange
gesucht hatte. Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein : „Viel-
leicht hat er die Großmutter gefressen, und ich kann sie noch erretten", und
schoß nicht, sondern nahm eine Schere und schnitt dem schlafenden Wolf
den Bauch auf. Wie er ein paar Schnitte gethan, da sah er das rotbe
Käppchen leuchten, und wie er noch ein wenig geschnitten, da sprang das
Mädchen heraus und rief: „Ach, wie war ich erschrocken! was war's so
dunkel in dem Leibe des Wolfes!" und dann kam die Großmutter auch
lebendig heraus. Rothkäppchen hatte aber große schwere Steine, damit
füllte sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen,
aber die Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank und sich todt fiel.
Da waren alle drei vergnügt, der Jäger nahm den Pelz vom Wolf,
die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rothkäppchen
gebracht hatte, und Rothkäppchen dachte bei sich: „Du willst dein Lebtag
nicht wieder allein vom Weg ab in den Wald laufen, wenn dir's die Mutter
verboten hat."
68. Der Sandmann.
1. Zwei seine Stieflein hab' ich an,
mit wunderweichen Söhlchen dran,
ein Säcklein hab' ich hinten auf,
husch! trippl' ich rasch die Trepp'
hinauf.
2. Und wenn ich in die Stube tret',
die Kinder beten das Abendgebet,
von meinem Sand zwei Körnelein
streu' ich auf ihre Aeugelein.
3. Da schlafen sie die ganze Nacht
in Gottes und der Englein Wacht.
Von meinem Sand zwei Körnelein
streut' ich auf ihre Aeugelein.
4. Den frommen Kindern soll gar schön
ein froher Traum vorübergehn.
Nun frisch und rasch mit Sack und
Stab
nur wieder jetzt die Trepp' hinab!
5. Ich kann nicht länger müssig stehn,
ich muß noch heut' zu vielen gehn.
Nun seht, mein Säcklein öffnet' ich kaum,
da nickt ihr schon und lächelt im Traum.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]